Am Beginn eines neuen Jahrhunderts

Vom 11.–13.10.2011 fand in Izmir/Türkei, anlässlich des einhundertjährigen Bestehens der türkischen Zement­industrie, das 11. Seminar des Türkischen Verbandes der Zementhersteller (TÇMB) statt (Bild 1). Nahezu alle aktuellen Themen der Zementindustrie wurden in einer Reihe von Vorträgen behandelt. In einer parallel veranstalteten Ausstellung hatten die Teilnehmer von Zementwerken und Maschinenlieferanten die Möglichkeit zum Networking und Informationsaustausch (Bild 2). ZKG nutzte die Gelegenheit, um mit Og˘uz Tezmen, Hauptkoordinator des TÇMB, ein Interview zur Konferenz sowie zu den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen für die türkische Zementindustrie zu führen.

ZKG: Herr Tezmen, wie war die Resonanz auf Ihre Einladung zum Seminar?

Oğuz Tezmen: Unser Seminar im Jahr 2011 traf auf eine sehr gute Resonanz. Insgesamt hatten wir mehr als 400 Teilnehmer, darunter 143 Teilnehmer aus Zementwerken in der Türkei. So viele hatten vor dem Technischen Seminar TÇMB 2011 noch nie an unseren Konferenzen oder Seminaren teilgenommen. 23 türkische und 43 internationale Unternehmen nahmen mit ihren Außenstellen und Vertretern in der Türkei teil.

ZKG: Wie wurden die Tagungsinhalte festgelegt?

Oğuz Tezmen: Während der Planung der Konferenz 2011 hatten wir unsere Mitgliedsfirmen gefragt, welche Themen in das Konferenzprogramm aufgenommen werden sollten. Diese Aufstellung interessanter Themen haben wir mit einer anderen Liste abgeglichen, die wir selbst mit international relevanten Themen vorbereitet hatten. Die endgültige Liste wurde dann noch einmal mit den Mitgliedsfirmen durchgesprochen, um sicher zu gehen, ein umfassendes und repräsentatives Programm zu haben, das sowohl den nationalen wie auch internationalen Ansprüchen gerecht wird. Dementsprechend erhielten wir interessante Beiträge zu den Hauptthemen „Energieeffizienz und Umwelt“, „Energie aus Abwärme“ sowie „Abfall- und alternative Brennstoffe“. Als Vortragende informierten sowohl Teilnehmer aus Zementwerken als auch von Anlagenherstellern die Zuhörer über neue Zementtypen, neue Möglichkeiten der Aufbereitung sowie moderne ­Methoden zur Verbesserung der Produktion und der Energieeffizienz.

ZKG: Sie haben 2011 Vertreter unterschiedlicher Verbände aus aller Welt eingeladen (Bild 3). Worin besteht das Interesse an einer Zusammenarbeit mit diesen Verbänden, wie z. B. Cembureau, AUCBM, Chinese Cement Association oder NCB?

Oğuz Tezmen: Wir haben die Absicht, eine Zusammenarbeit zwischen den Verbänden aufzubauen, hauptsächlich natürlich, um an den neuesten Entwicklungen teilzuhaben und Informationen über die aktuelle Situation und technologische Verbesserungen zu gewinnen. Noch genauer, wir möchten einen direkten Kontakt herstellen, um von den Erfahrungen aus der Vergangenheit der Verbände zu profitieren, um gemeinsam regionale Symposien zu veranstalten und eine Plattform zum Informationsaustausch zu entwickeln. Letztendlich ist das Ziel eine starke Zusammenarbeit im globalen Maßstab.

ZKG: Werden Sie auch in Zukunft internationale ­Seminare veranstalten?

Oğuz Tezmen: Die nächste Tagung, das 12. TÇMB Technische Seminar, wird 2013 stattfinden, da es sich um ein Seminar handelt, das alle zwei Jahre veranstaltet wird. Es wird wieder eine internationale Veranstaltung sein. Wir erwarten wieder eine hohe Beteiligung, dank der Beziehungen, die über die Jahre mit Unternehmen aufgebaut wurden und auf Grund der Unterstützung durch anerkannte internationale Medien und andere internationale Partner von Zement- und Baustoffverbänden.

ZKG: Was ist Ihre Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der Zementindustrie in der Türkei?    

Oğuz Tezmen: Die Verhandlungen in der EU zu Umweltfragen werden mit Sicherheit Investitionsbedarf in der Branche schaffen. Wir hoffen, dass der Rechtsbestand der Umweltgesetzgebung der EU große Vorteile zur Erhöhung der Lebensqualität unserer Menschen und zur Durchsetzung von Entwicklungsmodellen, die im Einklang mit der Umwelt stehen, mit sich bringen wird. Innerhalb dieses Rechtsbestandszeitraums ist die Türkei verpflichtet, die gesamte Umweltgesetzgebung der EU anzugleichen und durchzusetzen. Um mit den Bestimmungen der EU übereinzustimmen, muss ein großer Teil dieser Gesetzgebung in nationales Recht umgesetzt werden. Das betrifft allgemein Aktivitäten auf dem industriellen Sektor und in ­starkem Maße die Emissionen. In diesem Prozess können Investitionen in die Technik, die Errichtung neuer Anlagen und die Schaffung neuer Aufbereitungsanlagen im industriellen Sektor erforderlich werden. Dabei wird die  Durchsetzung verbindlicherer Umweltgrenzwerte natürlich berücksichtigt werden. Es wird neue Beschränkungen bei der Ausübung von Bergbauaktivitäten geben. Land, das durch Bergbauaktivitäten geschädigt wurde, muss renaturiert werden. Die REACH Bestimmungen, d.h. die Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien, sind anzuwenden, um nur einige Aspekte zu nennen.

ZKG: Was benötigt die Türkei um entsprechende Änderungen in die Wege zu leiten?

Oğuz Tezmen: Zunächst brauchen wir finanzielle Ressourcen und Zeit, um uns an die EU anzupassen. Nach ­einer Studie öffentlicher Institutionen werden Investitionen in Höhe von 12,6 Mrd. € erforderlich sein, um der Richtlinie zur Vermeidung von Verschmutzung durch die Industrie gerecht zu werden. Der Anteil der Zementindustrie an diesen Investitionen wird sich auf wenigstens 2 Mrd. € belaufen. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls haben wir die öffentliche Unterstützung, die wir für die Übernahme der Verantwortung für die Umwelt und zur Auseinandersetzung mit dem Klimawandel benötigen. Wir werden ­unsere Arbeit mit konstruktiven und alternativen Methoden für die Zukunft des türkischen Zementsektors fortsetzen. Dabei werden Probleme wie die Abschaffung von Hindernissen beim Einsatz von Brennstoffen aus Abfall oder die Vermeidung unqualifizierter und nicht normgerechter Herstellung von Fertigbeton eine Rolle spielen.

Eine „Nachhaltige Entwicklung“ wird auch zur Feier unseres zweihundertjährigen Bestehens die Hauptpolitik der türkischen Zementindustrie sein. Im zweiten Jahrhundert unseres Bestehens werden wir unsere Anstrengungen zu weniger Energieeinsatz in der Produktion noch weiter verstärken. Dabei werden wir Umweltaspekte berücksichtigen und uns noch aktiver der technologischen Weiterentwicklung widmen. Im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens wird die Zementindustrie eine Erhöhung der „Lebensqualität“ als eine Priorität betrachten.

ZKG: Was sind zurzeit die wichtigsten Probleme in der türkischen Zementindustrie?

Oğuz Tezmen: Die Zementindustrie, der erste industrielle Sektor unseres Landes und eine der wichtigsten Antriebskräfte für unsere Entwicklung und unser Wachstum, feiert ihr einhundertjähriges Bestehen. Seit einhundert Jahren arbeitet die Zementindustrie nun schon mit dem Auftrag, eine „konstruktive Kraft des Lebens“ zu sein. Die Produktionskapazität der türkischen Zementindustrie betrug im Jahr 1911 nur 20 000 t. Im Jahr ihres hundertjährigen Bestehens waren es mehr als 66 Mio. t. Damit belegt sie den ersten Platz in Europa und kommt weltweit nach China, Indien und den USA auf den vierten Platz. Mit einem Exportanteil von 12 % liegt die Türkei auf Platz 1 und lässt China sowie viele Länder Ostasiens hinter sich. Mit einem Umsatz von ca. 4,5 Mrd. US$, Exporten in Höhe von 1 Mrd. US$ und mit 15 000 direkt Beschäftigten ist die türkische Zementindustrie heute ein Industriezweig, dem in der türkischen Wirtschaft eine Schlüsselrolle zukommt. Sie genießt international einen guten Ruf wegen ihrer Produktqualität, ihrer Leistungsfähigkeit und ihres Exportpotentials. Dazu tragen auch Forschungs- und Entwicklungszentren bei, die für eine gesunde Entwicklung des Industriezweigs geschaffen wurden. Weiterhin sind zu nennen Ausbildungsmöglichkeiten, Umweltbewusstsein, Humanpotential, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Investitionen. So setzt die türkische Zementindustrie zuversichtlich ihre Mission der „wirtschaftlichen, sozialen und Umweltnachhaltigkeit“ fort, um im Jahr ihres einhundertjährigen Bestehens mehr Wert für unser Land zu schaffen. Die Zementindustrie wächst nachhaltig bei zunehmendem Umweltbewusstsein.

Dieser wichtige Industriezweig hat die notwendigen Vorkehrungen gegen mögliche Umweltschäden bereits in die Wege geleitet. Die Produktion der türkischen Zementindustrie steht im Einklang mit allen nationalen Gesetzen und Bestimmungen zur Umwelt, speziell was Rauchgasemissionen, Abwassereinleitung, Vermeidung von Bodenkontamination sowie Minimierung und Entsorgung von Abfall betrifft. Staubemissionen werden durch Rauch­gasentstaubungsanlagen kontrolliert. Emissionen von SO2 werden durch eine Neutralisierung des Schwefelgehalts des Brennstoffs für den Ofen mit Hilfe von Kalk im Rohmaterial kontrolliert. „Umweltmessungen“ werden zur Sicherung der Emissionsgenehmigungen durchgeführt. Nach Erhalt der Genehmigungen werden Kontrollmessungen mit kontinuierlichen Messeinrichtungen an den Schornsteinen vorgenommen. Unabhängige, zugelassene Labors führen alle Umweltmessungen des Sektors durch. Nach der Sicherung aller relevanten Umweltgenehmigungen werden Abfallstoffe als alternative Rohmaterialien und alternative Brennstoffe eingesetzt. So werden natürliche Vorkommen und konventionelle Energiequellen (wie z. B. Kohle, Petrolkoks usw.) gespart. Leider geschieht das noch sehr begrenzt in unserem Land. Während in Europa ca. 30 % alternative Brennstoffe aus Abfällen genutzt werden, sind das nur etwa 3 % in der Türkei.

ZKG: Warum ist Ihrer Meinung nach der Anteil der Sekun­därbrennstoffe derzeit noch so gering? Was muss getan werde, um das zu ändern?

Oğuz Tezmen: Obwohl wir eine Gesetzgebung zur Sammlung, Klassifizierung und Verwendung von Abfällen haben, konnten wir noch nicht das gewünschte Niveau der Abfallzuführung und des Einsatzes von Brennstoff aus Abfall erreichen. Das ist hauptsächlich auf eine unklare Definition der Verantwort­lichkeiten für die Produzenten von Abfall und auf eine mangelhafte Kontrolle zurückzuführen. Daher sollte der Einsatz von industriellem und kommunalen Abfall, wie z. B. Altöl, der in der Zementproduktion der EU-Länder in großem Umfang verwendet wird, sowie der Einsatz von Altreifen als Abfallbrennstoff in der Zementindustrie durch eine schnellstmögliche Beseitigung der Unzulänglichkeiten vorangebracht werden. Die türkische Zementindustrie ist bereit, am gemeinsamen Kampf für die Reduzierung der Emission von Treibhausgasen teilzunehmen. Die Mittel für die Reduzierung von Treibhausgasen in der Zementindustrie sind auf Investitionen zur Energieeffizienz, auf die Produktion von Misch­zementen sowie auf den Einsatz von Abfall als alternativer Brennstoff fokussiert. Daher konzentriert die türkische Zementindustrie ihre Anstrengungen seit kurzem auf diese Be­reiche. Die Werte für den Energieverbrauch im türkischen Zementsektor sind allerdings bereits geringer als die durchschnittlichen Verbrauchswerte in der EU, weil viele der Anlage erst vor kurzem gebaut wurden und/oder in den letzten Jahren auf hohem Niveau modernisiert wurden. Das Energiesparpotential ist also, speziell in Neuanlagen sehr begrenzt.

Das Ministerium für Energie und Natürliche Rohstoffe, Generaldirektion Überwachung von Ressourcen für Elektroenergie und Entwicklungsverwaltung, hat bis 2002 Werte des Energieverbrauchs der Zementindustrie vertraulich gesammelt, ausgewertet und kodierte Vergleichstabellen der Anlagen herausgegeben. Angesichts dieser Daten hat sich das Energiesparpotential der Zementproduktion in der Türkei zwischen 2005 und 2009 von 9 % auf 5 % geändert. Der Anteil der Einsparung von Elektroenergie beträgt nur etwa 1 %. In den ersten neun Monaten des Jahres 2011 wuchs die Zementproduktion des türkischen Zementsektors um 3,6 %. 18 % des in diesem Zeitraum produzierten Zements gingen in den Export. Im gleichen Zeitraum wurden auch 12 % Wachstum im Inlandabsatz und 24 % Abnahme des Exports festgestellt.

ZKG: Vielen Dank für das Interview.

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