Supply Chain Management wird zum Erfolgsfaktor

Die Zukunft des Maschinen- und Anlagenbaus wird bestimmt von einem effizienten Supply Chain Management (SCM). Es werden nur die Unternehmen langfristig erfolgreich sein, die auch unter ungewissen Bedingungen den Bedarf an Bauteilen oder ihre Produktionsplanung effektiv prognostizieren und dafür Lösungen entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette entwickeln - von der Rohstofflieferung bis hin zum Endverbraucher.

Das Supply Chain Management in der Maschinenbaubranche gestaltet sich meist komplexer als in anderen Wirtschaftsbereichen. Grund dafür ist unter anderem das weitverbreitete Engineer-to-Order-Prinzip, bei dem Produkte erst nach Eingang eines Kundenauftrages und nach dessen Wunsch konstruiert und produziert werden. Diese Aufträge sind meist Kleinserien mit einer Fertigung von nur geringen Stückzahlen, verteilt über lange Zeiträume. Vor diesem Hintergrund ist ein effektives Supply Chain Management nötig, das sich von dem für Großserienfertigungen wesentlich unterscheidet.

Die Siemens AG und hier vor allem deren Bereich Industry Sector beschäftigen sich seit langem intensiv mit dem Thema. Anhand der Salzgitter Maschinenbau AG erläutert Dr. René Graf, Automatisierungsspezialist bei Siemens in Erlangen, das „Engineer-to-Order-Prinzip“ mit dem Supply Chain Management. „Für ein effizientes Management seiner Lieferkette kategorisiert das Unternehmen die zu erstellenden Produkte nach verschiedenen Aspekten zu so genannten Ähnlichkeitstypen“, sagt Graf. Dafür werden unter anderem der Produkt-Typ, das Fertigungsverfahren und die Durchlaufzeiten erfasst, um aus deren bekannten Eigenheiten Rückschlüsse auf die Produktion der zu erstellenden Maschinen und Anlagen zu ziehen. „Anhand dieser Rückschlüsse kann prognostiziert werden, welche Bauteile in welcher Menge bestellt oder selbst gefertigt werden müssen und wie die passende Produktionslogistik aussehen muss“.

Der globale Wettbewerb, sich wandelnde Kundenansprüche und kürzere Produktlebenszyklen führen dazu, dass Unternehmen fortlaufend neue Produkte entwickeln müssen, die genau auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zugeschnitten sind. Es entsteht eine Vielzahl an Produktvarianten, die immer komplexere Wertschöpfungsketten voraussetzen. „Die Steuerung der Produktions- und Logistikprozesse wird dabei zunehmend schwieriger“, sagt Graf weiter. Ein maßgeblicher Treiber für diese hohe Komplexität sei dabei nicht zwangsweise das Produkt selbst, sondern dessen Umwelt: Für ein einziges Produkt können in verschiedenen Ländern völlig unterschiedliche Vorschriften und Anforderungen gelten. „Die Anerkennung von Herstell- und Prüfzertifikaten, Dokumentationsvorschriften oder auch Zollbestimmungen sind von Land zu Land verschieden und erfordern somit immer wieder Neuentwicklungen oder Anpassungen“, erklärt Graf abschließend.

Auch Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen beschäftigen sich mit dem Thema SCM. Vor diesem Hintergrund erläutert Prof. Dr. Jörg Dalhöfer von der Fachhochschule Lübeck das Modell „Design for Value Chain“. Dabei verfolge man den Ansatz, Informationen über die Produktumwelt schon während der Entwicklung in ein Produkt einfließen zu lassen, und nicht erst während oder gar nach erfolgter Produktion. „So können die Produkte möglichst unkompliziert an die Kundenwünsche und Vorschriften in verschiedenen Ländern angepasst werden“, so Dalhöfer. Für die Umsetzung des Modells überführen die Entwickler vorhandene Erkenntnisse aus Industrie und Komplexitätsanalysen in Arbeits- und Handbücher sowie in Checklisten. Mithilfe dieser Materialien gewinnen Unternehmen deutlich größere Planungssicherheit für ihre Logistikprozesse und Wertschöpfungsketten: Sowohl Zeitaufwand als auch Kostenschätzungen, die für Einfuhrbestimmungen, Dokumentationspflicht, Zertifizierungen oder spätere Modifikationen anfallen, sind so künftig frühzeitig ersichtlich und somit auch realistische Zeit- und Kostenschätzungen möglich.

„Bei der Wahl der Fertigungsprozesse müssen Unternehmen genaue Abwägungen treffen, da sich Werkstatt-, Gruppen-, Linien- und Fließproduktion sehr unterschiedlich auf den Produktionstakt auswirken“, erklärt Dalhöfer weiter. Schlanke, effiziente und an betrieblichen Anforderungen ausgerichtete Fertigungsprozesse benötigten auch eine passgenaue Produktionslogistik. Durch die Neugestaltung der Produktionsprozesse und der dazugehörigen Logistik können Unternehmen positive Effekte erzielen, die sich wirtschaftlich lohnen.

„Industrie 4.0 ist eines der Zukunftsthemen, die die Maschinenbaubranche umtreibt. Die starren Produktionsstrukturen werden autonomen und sich selbst organisierenden Produktionseinheiten weichen. Es braucht intelligente Produkte und Wertschöpfungsnetzwerke, die anstelle von starren Wertschöpfungsketten rasch und flexibel auf Marktanforderungen reagieren können“, heißt es abschließend aus Lübeck. Die so genannte „4. Industrielle Revolution“ werde zu einem Effizienzschub in der Intra- und Produktionslogistik führen. So zeige sich bei SEW-Eurodrive, einem Hersteller für Antriebstechnik in Dortmund, schon heute, wie Produktion und Logistik profitieren. Bei dem Maschinenbauer wurde ein neues Getriebemontagesystem realisiert, das durch Logistikroboter mit Material versorgt wird. Das Ergebnis bestätigte die Erwartungen, die Produktivität um 20 % zu verbessern und die Gesamtdurchlaufzeit zu halbieren.

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