Das Know-how der Mitarbeiter ist wichtig

Anlässlich des 150jährigen Firmenjubiläums traf sich die Redaktion der ZKG INTERNATIONAL mit Dr. Detlev Rose, dem Vorstandsvorsitzenden der Polysius AG. In dem sehr informativen Gespräch ging es nicht nur um die Firmengeschichte, sondern auch um Höhen und Tiefen der Polysius AG  und um die zukünftige Ausrichtung.

ZKG: Welche Firmenstrategie erlaubt es einem Unternehmen über lange Jahre hinweg erfolgreich zu agieren?

Dr. Rose: Der Markt muss vorhanden sein, das ist natürlich erst einmal die Vorbedingung. Als zweites müssen die Produkte und Verfahren, die man verkauft, wirklich gut sein. Und man muss innovativ bleiben und sich nicht mit der aktuellen Situation zufrieden geben, sondern man muss versuchen immer bessere Maschinen und Konzepte zu entwickeln. Und ein dritter Punkt, der uns ganz wichtig ist, ist die Unternehmenskultur, sie ist eine der wesentlichen Assets bei Polysius. Das Know-how der Mitarbeiter ist wichtig, das wird nicht durch das Stammkapital abgebildet, sondern das finden wir bei den Menschen selbst.

ZKG: Wie erreicht das Unternehmen eine solche Identifizierung der Mitarbeiter mit der Firma?

Dr. Rose: Wir sind eine sehr kommunikative Firma. Informationen werden an alle Firmenmitglieder weitergegeben, wir sind sehr offen, nicht nur in Beckum, sondern weltweit. Unsere Arbeitsweise überträgt den Mitarbeitern ein Höchstmaß an Verantwortung, d.  h. die Mitarbeiter haben einen hohen Vertrauensvorschuss.

ZKG: Vom Familienunternehmen zur Aktiengesellschaft innerhalb eines großen  Industriekonzerns – was ist vom Familienunternehmen in der heutigen Struktur noch übriggeblieben?

Dr. Rose: Die Identifizierung der Mitarbeiter mit Polysius ist sehr stark, hier in Beckum agieren wir eher wie ein Mittelständler. Kurze Kommunikations- und Entscheidungswege charakterisieren nach wie vor unsere tägliche Arbeit.

ZKG: Wie hat sich die Firma zu einer international tätigen Aktiengesellschaft entwickelt?

Dr. Rose: Die Geschichte von Polysius ist auch mit einigen schwierigen Phasen verbunden. Die Firma hat sich bis zum 1. Weltkrieg kontinuierlich entwickelt. Das aus einer kleinen Schlosserei hervorgegangene Unternehmen entwickelte das Zementgeschäft und hat Anfang des 20. Jhds. bereits komplette Anlagen in das außereuropäische Ausland geliefert; in einer Zeit, in der es kein Fax, Handy oder Reisemöglichkeiten mit dem Flugzeug gab.

Während des 1. Weltkriegs gab es einen Einbruch, aber die Firma konnte danach bis zur Endphase des 2. Weltkrieges wieder wachsen. Aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen, z.   B. der Lepol-Ofen, war Polysius überaus erfolgreich. Der größte Einschnitt kam Ende des 2. Weltkrieges: Es stellte sich die Frage, wo Polysius seine Zukunft sieht – im Ost- oder Westteil Deutschlands. Dr. Curt Prüssing gründete 1946 die Westpol GmbH in Neubeckum mit einigen wenigen Mitarbeitern – ehemals arbeiteten über 1000 Mitarbeiter bei Polysius in Dessau. Diesen Teil der Firmengeschichte finde ich besonders beeindruckend, man hatte außer ein paar Zeichnungen nichts und man musste irgendwie auf die Beine kommen.

ZKG: Ist damit die Firma komplett nach Beckum übersiedelt?

Dr. Rose: Nein, es gab eine zweigeteilte Entwicklung, in ­Dessau gab es ja auch noch Fertigungswerkstätten, die Produktion dort lief unter dem VEB Zementanlagenbau Dessau weiter.

ZKG: Welche Höhen und Tiefen gab es für Polysius?

Dr. Rose: Die Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg war die schwierigste Zeit, die die Firma zu überstehen hatte. Danach ging es kontinuierlich bergauf, natürlich mit einigen Unstetigkeiten, wir wissen alle, dass die Weltwirtschaft in den vergangenen 60 Jahren Berge und Täler hatte.

ZKG: Und die Highlights?

Dr. Rose: Die Entwicklung des Lepol-Ofens gab Polysius ein ­Alleinstellungsmerkmal, das ist natürlich eine wunderbare ­Sache, wenn man über eine Technologie verfügt, die ­niemand sonst hat. Oder aber die Polycom®-Gutbett-Walzenmühle, die Polysius in Lizenz zur Industriereife weiterentwickelt hat. Diese Mühle zerkleinert unter hohem Druck Zementklinker und Erze mit guter energetischer Bilanz.

Daneben gab es aber auch in der weiteren Entwicklung des Unternehmens einige herausragende Dinge – ganz wichtig war z.  B. die Übernahme der Aktienmehrheit durch die Fried. Krupp AG. Das war so wichtig, weil Anfang der 70er Jahre die Geschäfte nicht mehr als Familienunternehmen zu händeln waren. Das Auftragsvolumen erreichte bei einigen Projekten einen 2–3 stelligen Millionen DM-Bereich.  Ein starker Partner in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht wurde in der Fried. Krupp AG gefunden.

ZKG: ...und die Übernahme von Maerz Ofenbau?

Dr. Rose: In den letzten 5 –10 Jahren hat es eine sehr starke Entwicklung bei Polysius gegeben, die von außen gar nicht so wahrgenommen wurde. Es wurden 2 Akquisitionen getätigt: Die Firma Maerz Ofenbau, die im Wesentlichen Kalkschacht­öfen produziert, ist ein Unternehmen, das sehr gut zu uns passt. Den Service-Bereich in den USA haben wir verstärkt durch die Akquisition von AC Equipment – ein Unternehmen, das im Service-Bereich für verschiedene Industriezweige tätig ist. Zudem haben wir die Anzahl unserer Tochtergesellschaften auf 20 aufgestockt.

ZKG: Welche Rolle spielt die Einbindung von Polysius in den ­ThyssenKrupp-Konzern?

Dr. Rose: Für uns ist diese Einbindung ganz wesentlich. Wir wären nicht in der Lage das gegenwärtige Geschäft in der Größe zu machen, wenn wir nicht Teil des Konzerns wären. Uns würde der finanzielle Hintergrund fehlen. Keiner würde uns zwei- oder dreistellige Millionen-Beträge anvertrauen ohne entsprechende Sicherheiten. Und es gibt einige Synergien, gerade auch aufgrund der weltweiten Präsenz durch ThyssenKrupp.

ZKG: Wie sieht die zukünftige Ausrichtung von Polysius aus?

Dr. Rose: Die Entwicklung der letzten Jahre soll weiter fortgesetzt werden, das Netzwerk der Tochtergesellschaften soll weiter ausgebaut werden, um so noch größere Kundennähe zu schaffen. Wir wollen den Anspruch Technologieführer zu sein beibehalten und weiter ausbauen. Wir haben in den letzten Jahren unsere Turn-Key-Fähigkeiten weiter ausgebaut. In den letzten 10 Jahren haben wir ca. 20 schlüsselfertige Anlagen weltweit gebaut, aktuell haben wir sechs schlüsselfertige Anlagen in der Abwicklung. Die Nachfrage nach Turn-Key-Anlagen wird immer stärker. Unser Ziel ist es, dieses Konzept überall auf der Welt anbieten zu können; dies wird auch ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zukunft sein.

ZKG: Wo liegen die wesentlichen Turn-Key-Märkte für Polysius?

Dr. Rose: Traditionell im mittleren Osten, Golfregion, ­Saudi Arabien, VAE. Wir sehen Mittelamerika aktuell als starken Markt, momentan werden dort zwei schlüsselfertige Anlagen von Polysius abgewickelt. Dies ist nicht einfach, doch hierbei kamen uns unsere lokalen Vertretungen zu gute. In Namibia entsteht gerade ein neues Zementwerk von Polysius … da wo es nachgefragt wird, versuchen wir Turn-Key-Anlagen zu realisieren, aber es gelingt uns eben noch nicht in allen Teilen der Welt.

ZKG: Ist Polysius auch in anderen Branchen „unterwegs“?

Dr. Rose: Wir haben in den letzten Jahren das ­Minerals-Geschäft weiter ausgebaut. Auch, um noch ein zweites ­Standbein neben dem Zementgeschäft zu haben und so Schwankungen im Investitionsvolumen unserer Kunden ausgleichen zu können. Dabei haben wir uns überlegt, ­welche Modifikationen an unserem Zementequipment vorgenommen werden müssen, um diese auch in der Aufbereitung von mineralischen Stoffen einsetzen zu können. So verkaufen wir heute z.  B. mehr Gutbett-Walzenmühlen im Minerals-Bereich als im Bereich Zement. Zurzeit macht der Minerals- und Service­bereich 30 –35  % des Geschäftsvolumens von Polysius aus. ­Wobei vorwiegend Südamerika, Südafrika, Australien als Märkte zu nennen sind. Wir hoffen auf weitere wie die GUS-Staaten oder China.

ZKG: Es scheint, dass gerade die Forschung und Entwicklung eine große Rolle bei Polysius spielt?

Dr. Rose: Dieser Bereich ist essentiell für Polysius. Das sieht man schon daran, dass eines der ersten gebauten Gebäude - nach dem Umzug nach Beckum - die Versuchsanstalt war. In diesem Forschungszentrum hat man neue Maschinen und Verfahren entwickelt, hat Materialien, die man von überall auf der Welt bekommen hat, getestet. Solche Entwicklungsarbeiten sind für unser Geschäft unverzichtbar.

ZKG: Eine Frage darf in der gegenwärtigen Wirtschaftslage nicht fehlen: Wie begegnet Polysius der Krise?

Dr. Rose: Natürlich merken auch wir die Krise, wie nahezu jedes andere Unternehmen auch. Wir haben allerdings keine schwerwiegenden Probleme durch die Stornierung von Aufträgen bekommen. Wir sehen natürlich, dass die Auftragseingänge in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen sind, ­allerdings tragen uns die vorhandenen Aufträge aus 2008 noch einige Zeit. Die Firma und die Mitarbeiter sind sich aber auch immer darüber im Klaren gewesen, dass es nicht ­immer nur bergauf gehen kann. Ich bin seit 20 Jahren in der Firma und erlebe die 3. Krise. Ich weiß, dass man gerade in verantwortlicher Position Vorsorge tragen muss, denn angekündigt hat sich noch keine Krise! Man muss ständig im Bewusstsein leben, dass es ­plötzlich zu einer Krise kommen kann. Wir sind schlank aufgestellt und haben unser Geschäft diversifiziert. Von daher haben wir uns auf schwierige Zeiten gut vorbereitet.

Aber das Zementgeschäft ist auch nicht völlig weggebrochen. Man rechnet damit, dass 2009 30 – 50 Mio. Jahrestonnen an neuer Produktionskapazität vergeben werden. Bis vor einigen Jahren war das langjährige Mittel der neuinstallierten Kapazität ca. 30 Mio. t/a. Heute liegen wir bei 40 Mio. t/a. Wir erleben also aktuell kein Disaster.

ZKG: Welche Produktneuentwicklungen gibt es bei Polysius?

Dr. Rose: Ein sehr großer Erfolg war in den letzten Jahren der neue POLYTRACK®-Kühler. Daneben haben  wir im vergangenen Jahr eine Neuentwicklung im Bereich Laborautomation auf den  Markt gebracht. Dem  Bedarf folgend  haben wir uns mit dem Bau immer größerer Anlagen beschäftigt. Die 10.000-Tonnen-pro-Tag-Anlage der Yamama Saudi Cement Co. ist ein gutes Beispiel hierfür.

Ein wesentliches Schlüsselkriterium für die Zukunft wird die Effizienz der Anlagen sein, die Umwelteinflüsse und den Energiebedarf zu reduzieren - und damit auch die CO2-Emissionen zu senken.

ZKG: Abschließend möchte ich eine ganz wesentliche Frage stellen – wie wird Polysius das Firmenjubiläum feiern?

Dr. Rose: Wir werden das Jubiläum am Standort Beckum feiern, wir sind sehr stark verbunden mit dem Standort und mit der Region. Es wird eine dreitägige Veranstaltung werden, auf der wir mit unseren Kunden, Mitarbeitern, Eigentümern und Geschäftspartnern das Ereignis gebührend feiern wollen.

ZKG: Herr Dr. Rose wir danken Ihnen herzlich für das offene ­Gespräch.

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